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30. 10. 2025
PRAG

Elisa-Maria Hiemer: Schwangerschaftsabbrüche vor Gericht

 

Am 30. Oktober nimmt Elisa-Maria Hiemer im Rahmen der Prager Vorträge die polnischen Moraldiskurse der Zwischenkriegszeit in den Blick.

Ort: Prager Außenstelle des Collegium Carolinum (Valentinská 91/1, Praha, 3. Stock)

Der Vortrag wird auch via Zoom übertragen

 

Das Collegium Carolinum,
das Deutsche Historische Institut Warschau und das
Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur im östlichen Europa laden
in Zusammenarbeit mit dem Masarykův ústav a archiv AV ČR
zu dem Vortrag von

 

DR. ELISA-MARIA HIEMER (BERLIN)

Schwangerschaftsabbrüche vor Gericht:
Wertewandel und moralische Instrumentalisierung im Polen der Zwischenkriegszeit

am Donnerstag, 30. Oktober 2025, 17.00 Uhr ein.

Der Vortrag findet in der Valentinská 91/1, 3. Stock statt und wird über Zoom übertragen. Bei Interesse an dem Link wird gebeten, sich an florian.ruttner@collegium-carolinum.de zu wenden.

 

Mein Vortrag adressiert geänderte Moraldiskurse mit Blick auf reproduktive Entscheidungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. Die um die Jahrhundertwende aufkommende Frauenrechtsbewegung und das neue Abtreibungsgesetz von 1932 stellten die bestehenden Vorstellungen von weiblicher Sexualität und ungewollten Schwangerschaften in Frage. In den Medien, in der Literatur sowie in juristischen und medizinischen Expert*innenkreisen wurde die so genannte Moralreform mit ihren liberalen Konzepten von Mutterschaft und Partnerschaft lebhaft diskutiert. Nach 123 Jahren der staatlichen Nichtexistenz des Landes gewann jedoch die Idee der polnischen Kernfamilie als Garant für die Zukunft Polens geopolitische Bedeutung.
Nach einem Überblick über die gesellschaftlichen Debatten, stellt mein Beitrag die Realität der Angeklagten in den Mittelpunkt. Auf der Grundlage von Gerichtsakten zeige ich, wie Prekarität, gesellschaftlich konstruierte und verinnerlichte Geschlechterrollen und institutioneller Druck ineinandergriffen. Die Dokumente zeigen, dass Scham- und Schuldgefühle allgegenwärtig waren, aber sie offenbaren auch Strategien der Angeklagten (der ehemals schwangeren Frau, der Hebamme oder des Partners) zur Ausrichtung ihres Verhaltens an den gesellschaftlich von ihnen erwarteten Rollen.

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Elisa-Maria Hiemer ist Slavistin, die an der Schnittstelle zwischen Geschichts- und Kulturwissenschaft arbeitet. Sie promovierte mit einer Arbeit zur deutsch- bzw. polnisch-jüdischen Gegenwartsliteratur, für die sie 2019 mit dem Dissertationspreis der Uni Gießen ausgezeichnet wurde. Danach war sie dort wiss. Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Slavistik. Seit 2019 arbeitet sie am Herder-Institut und war im BMBF geförderten Projekt „Familienplanung in Ostmitteleuropa“ als Postdoc tätig. Ihr Buch Sexuality and Abortion in Interwar Poland erscheint demnächst bei CEU Press. 2021-2024 war sie Projektleiterin im Projekt „Kartenwelten – Textwelten“. Seit Dezember 2024 ist sie Research Associate im ERC Projekt: „Democratizing of the Family? Gender equality, parental rights, and child welfare after 1945” an der FU Berlin.