Grenzen der Erschließung: Staatliche Strukturpolitik in zwei europäischen Bergregionen im Systemvergleich (1945–1989)

Projektbearbeitung: Martin Zückert
Projektzeitraum: 2020–2024
Förderung: DFG

Ziel des Projektes ist es, eine Monografie zur Geschichte staatlicher Strukturpolitik in Berggebieten unter verschiedenen Herrschaftsregimen zwischen 1945 und 1989 zu erarbeiten. Neue Erkenntnisse zur Debatte um die Gegenwart und Zukunft des ländlichen Raumes sollen durch den Vergleich von zwei historischen Regionen gewonnen werden, die zwei europäische Entwicklungspfade repräsentieren und jeweils über einen markanten Anteil an Berggebieten verfügen: Österreich als Staat mit westlicher Prägung und die Tschechoslowakei als Land mit einer staatssozialistischen Ordnung.

Die Untersuchung geht von der Annahme aus, dass die politischen Ansätze beider Staaten nach 1945 zunächst divergierende Entwicklungen in den betroffenen Regionen auslösten, es jedoch bedingt durch strukturell vergleichbare Problemlagen in den Bergregionen seit den 1960er Jahren zu Konvergenzen in den verfolgten Politiken Österreichs und der Tschechoslowakei kam.

In einer vergleichenden Analyse werden anhand von Konzepten und Politiken von Raumordnung, Landwirtschaft und Naturschutz unterschiedliche Strategien von Regionalplanung untersucht. Im Zentrum steht die Frage, wie dabei mit regionalen Disparitäten umgegangen wurde. Grundannahme hierfür ist, dass Berggebiete die moderne Erschließungspolitik durch ihre geomorphologische Beschaffenheit vor besondere Herausforderungen stellen: Zwar verfügen Staaten über die organisatorischen und technischen Möglichkeiten, in diese Gebiete einzugreifen, doch ist der Aufwand dafür vergleichsweise hoch.

Die Grenzen der Erschließung werden somit sowohl durch die Einschätzung natürlicher Bedingungen als auch durch die gesellschaftlichen Bewertungen von Berggebieten bestimmt, sodass der Stellenwert der zu untersuchenden Bergregionen innerhalb ihrer Staaten eine wichtige Rolle spielt.

Bergregionen haben in der Vergangenheit divergierende Deutungen erfahren. Sie wurden als national bedeutsam, ökonomisch erschließbar oder naturräumlich schützenswert betrachtet oder aber als Gebiete mit Strukturproblemen angesehen („Rückständigkeit“, ökonomische Schwierigkeiten, Abwanderung). Da diese Deutungen zu unterschiedlichen Politiken führten, lautet eine zentrale Frage, inwieweit strukturpolitische Planungen auf durch Agrarmodernisierung und gesellschaftliche Transformationen ausgelöste Veränderungen von Landschaft, Siedlungs- und Sozialraum reagierten bzw. diese selbst beförderten.

Inwieweit kam dabei dem Erhalt bestehender Strukturen Bedeutung zu? Vor dem Hintergrund einer Trias von Nutzung, Schutz und Erschließung soll das staatliche Handeln erforscht und in Beziehung zur politischen Umsetzung in den Bergregionen gestellt werden. Die vergleichende Studie verbindet Themenfelder der Agrar-, Umwelt-, und Planungsgeschichte und knüpft methodisch an Fragen von Territorialität an.