Die Erschließung der Karpaten. Staatliche Strukturpolitik, Nutzungskonflikte und ökologische Veränderungen in einer Gebirgsregion im Staatssozialismus 1945–1989

Die Bedeutung der Karpaten für das östliche Mitteleuropa lässt sich mit jener der Alpen für das westliche Mitteleuropa vergleichen. Der Karpatenbogen erstreckt sich über 1.300 Kilometer von Tschechien bis nach Rumänien und gliedert diesen Raum nicht nur geographisch, sondern beeinflusst auch die Lebens- und Vorstellungswelt der Bewohner.

Anders als im Fall der Alpen wurden für die Karpaten Prozesse von Wahrnehmung und Aneignung bisher noch nicht umfassend untersucht. Diese Forschungslücke möchte das Projekt für die sozialistische Periode füllen, indem es die unterschiedlichen Arten der Erschließung und Nutzung sowie die daraus resultierenden Folgen für Gesellschaft und Umwelt beleuchtet. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob diese Prozesse spezifisch sozialistische Züge aufweisen oder ob es sich dabei um systemübergreifende Merkmale der Moderne handelte.

Ziel ist eine "offene Regionalgeschichte", die von einem Konstruktionscharakter von Raum ausgeht und dabei Zusammenhänge über regionale und nationale Grenzen hinweg thematisiert. Damit soll das Projekt am Beispiel der Karpaten sowohl einen Beitrag zur Erforschung Ostmitteleuropas im Staatssozialismus unter noch wenig berücksichtigten Aspekten leisten als auch aktuellen Entwicklungen der Historiografie wie der Umwelt- und Infrastrukturgeschichte eine bisher vernachlässigte ostmitteleuropäische Komponente hinzufügen.

Im Projekt werden ein Dissertationsvorhaben zur Wasserwirtschaft in den slowakischen und rumänischen Karpaten sowie ein assoziiertes, an der Universität Basel angesiedeltes Projekt zur Geschichte des Tatra-Nationalparks bearbeitet. In einem Projektworkshop im Jahr 2012 wurden erste Arbeitsergebnisse diskutiert und mit Forschungen zur Geschichte der Alpen verglichen.

Die Wasserwirtschaft in Rumänien und der Tschechoslowakei: Von Wasserträumen und Wasserräumen im Staatssozialismus. Ein umwelthistorischer Vergleich

Arnošt Štanzel (Projekt abgeschlossen)

Eines der zentralen Wesensmerkmale staatssozialistischer Regime war der Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung. Dabei spielten Infrastrukturvorhaben in peripheren Räumen eine wichtige Rolle. In der historischen Forschung bislang wenig beachtet geblieben ist dabei die Rolle der Umwelt. Ziel ist es daher, die Erschließung der slowakischen und rumänischen Karpaten durch Wasserbauwerke sowie die Diskurse zum Thema Wasserverschmutzung zu erforschen und dadurch Rückschlüsse auf das Verhältnis von Mensch – Umwelt in der Zeit zwischen 1945 bis 1989 herauszuarbeiten.

Drei Leitfragen sollen untersucht werden:
1. Welche Vorstellungen von Umwelt und Natur lassen sich anhand der Diskurse zu den Themen Wasserverschmutzung und Staudammbau in Rumänien und der Tschechoslowakei erkennen und welche Folgen ergaben sich daraus für den Umgang mit Natur?
2. Der (Wieder-)Entdeckung des Raumes im Zuge des "spatial turns" folgend sehe ich im Bau und der vielgestaltigen Nutzung von Stauseen durch Bürger und Regime eine „Produktion von Räumen“. Welche Auswirkungen hatte dies auf die politische, sozioökonomische und kulturelle Situation in den betroffenen Regionen? Gleichzeitig ist zu fragen, ob die neu entstandenen Räume die Wahrnehmung der Peripherie verändert haben und diese näher ans Zentrum banden?
3. Wie ist der Umgang mit Umwelt in Rumänien und der Tschechoslowakei im Vergleich untereinander und mit dem Ausland zu bewerten? Orientierte man sich an der Sowjetunion, bezog man sich auf bereits bestehende inländische Traditionen oder diente der Westen als Vorbild?

Published as:Wasserträume und Wasserräume im Staatssozialismus. Ein umwelthistorischer Vergleich anhand der tschechoslowakischen und rumänischen Wasserwirtschaft 1948–1989 (= Schnittstellen. Studien zum östlichen und südöstlichen Europa; Bd. 8). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2017.

Projekttagung

„Alpen und Karpaten. Die Erschließung zweier europäischer Bergregionen zwischen Nutzungszielen und Schutzansprüchen“ vom 10.–11.Oktober 2012 in München

Zum Programm

Tagungsbericht in Bohemia-Themenheft (2014/1), Bohemia-online:
"Projektworkshop: Die Evakuierung der Deutschen aus der Slowakei 1944/45. Verlauf und Deutungen, Kontexte und Vergleich" https://www.bohemia-online.de/index.php/bohemia/article/view/4233/6262