Sammlung Pekelský

Das Collegium Carolinum erwarb im Jahr 1977 einen umfangreichen Bestand insbesondere von tschechischer, slowakischer und sudetendeutscher Exilpresse aus dem Nachlass des Journalisten Vladimír Pekelský (geb. 1920 in Bratislava, gest. 1975 in Köln). Die Sammlung umfasst über 850 Periodika, Monographien und weiteres Schriftgut. Das Collegium Carolinum ist von manchen dieser Druckerzeugnisse im deutschsprachigen Raum Alleinbesitzer.

Im digitalen Findbuch zur Sammlung Pekelský sind der gesamte Zeitschriftenbestand und die Monographien der Sammlung alphabetisch erfasst. Zur besseren Orientierung dient ein Orts-, Personen- und Sprachenregister. Darüber hinaus enthält der Nachlass diverses Schriftgut, das im Findbuch nicht erfasst wurde, im Collegium Carolinum jedoch nach vorheriger Absprache eingesehen werden kann. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die Mitarbeiter/innen der Bibliothek.

Sammlung und Findbuch

Vladimír Pekelský gründete und betrieb ein Archiv mit zeitgenössischen Bohemica, das allein im Jahr 1961 rund 4.200 Titel von Zeitschriften, Broschüren und Monographien zählte. Aus dem zunächst kleinen Redaktionsarchiv entstand im Laufe der Jahre ein Dokumentationszentrum. Pekelský sammelte Materialien zur Tschechoslowakei, den deutsch-tschechischen Beziehungen, zur Situation tschechischer und slowakischer Emigrantinnen und Emigranten, den Sudetendeutschen und allgemein zum Ost-West-Konflikt. Von diesem umfangreichen Archiv übernahm und verwahrt das Collegium Carolinum rund 850 Zeitschriftentitel und Monographien.

Hauptsächlich besteht die Sammlung aus tschechischen und slowakischen Exilzeitschriften. Die Schriften konservativer, nationalistischer und antikommunistischer Gruppen sind überproportional vertreten und spiegeln Pekelský eigenes politisches Engagement und Interesse. Teil der Sammlung bilden auch Mitteilungsblätter religiöser Gemeinschaften. Besonders viele der Druckzeugnisse wurden in Berlin, London, München, New York, Paris und Wien herausgegeben. Neben den europäischen Zufluchtsorten ostmitteleuropäischer Emigrantinnen und Emigranten finden sich auch Veröffentlichungsorte in Nord- und Südamerika, Afrika und Australien.

Die Sammlung enthält in einem geringeren Umfang auch Schriftgut (Korrespondenzen, Hintergrundmaterialien, Notizen). Die Korrespondenz betrifft den Schriftverkehr zwischen Pekelský und den Herausgebenden von Mitteilungsblättern und Vertreterinnen und Vertretern einzelner Institutionen, Vereinen, Gremien und Initiativen. Vereinzelt finden sich in der Sammlung auch Akten und Protokolle von verschiedenen Exilorganisationen, wie dem Český narodní výbor (Tschechischer Nationalausschuss), der Demokratischen Exil-Union und anderen. Die Schriftgutsammlung umfasst auch Recherchematerial von Pekelský aus seiner Zeit als Mitarbeiter im Dokumentationsarchiv der Deutschen Welle. So liegen in zahlreichen, teils beschrifteten Mappen Sammlungen von Zeitungsausschnitten, Berichte und Mitteilungen, die wahrscheinlich als Unterlagen für Reportagen oder ähnliches genutzt wurden. Dieses Schriftgut ist im Findbuch nicht erfasst und kann auf Anfrage eingesehen werden.

Im digitalen Findbuch sind die Zeitschriftenbestände und Monographien alphabetisch erfasst. Einige Zeitschriftentitel änderten im Laufe ihres Erscheinens den Titel. Sofern bekannt, verweisen die jeweiligen Titel aufeinander oder sind untereinander aufgeführt. Darüber hinaus können in einigen Fällen die Namen der Herausgeber oder der Erscheinungsort Auskunft über personelle und ideelle Verbindungen zwischen den einzelnen Zeitschriftenredaktionen geben. Das Personenregister am Ende des Findbuchs vereinfacht die Suche nach Herausgebern oder anderen an der Publikation beteiligten Personen, das Ortsregister die Suche nach Erscheinungsorten. Die meisten Zeitschriften sind in tschechischer Sprache verfasst, doch findet sich auch eine Vielzahl an slowakischen Periodika, ebenso wie englisch- und deutschsprachige Presse. Für eine sprachenzentrierte Recherche kann daher das Sprachenregister herangezogen werden.

Vladimír Pekelský

Vladimír Pekelský wurde im Jahr 1920 in Bratislava in der damals noch jungen Tschechoslowakei geboren. Siebzehnjährig trat er der faschistischen Partei Vlajka (Die Flagge) bei und studierte während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland Medizin. Dieser Umstand sowie seine Mitgliedschaft in der faschistischen Partei führten dazu, dass er sich 1945 als Kollaborateur der nationalsozialistischen Besatzer vor der neuen tschechoslowakischen Regierung verantworten musste. Nach einjähriger Haft verließ er 1946 die Tschechoslowakei. Zunächst ging er nach Österreich und ließ sich dann in der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland nieder.

In der Emigration war Vladimír Pekelský von Beginn an politisch aktiv. Bis 1951 war er Vorsitzender des Český narodní výbor (Tschechischer Nationalausschuss), Generalsekretär der Demokratischen Exil-Union sowie enger Vertrauter des ebenfalls im Exil lebenden tschechischen Generals Lev Prchala. Als Anhänger Prchalas, einem Gegner der Politik von Edvard Beneš, stand Pekelský für viele national-konservative Positionen, die bei dem Großteil der demokratischen, sogenannten tschechoslowakischen Gruppierungen des tschechischen und slowakischen Exils auf Ablehnung stießen. So war er Mitunterzeichner des Wiesbadener Abkommens, das von sudetendeutschen Gruppen und dem Tschechischen Nationalausschuss 1950 erarbeitet wurde und unter anderem das Recht zur Rückkehr für die vertriebenen Sudetendeutschen forderte. 1951 trennten sich Pekelskýs und Prchalas Wege aufgrund politischer Differenzen.

Vladimír Pekelský lebte bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 1975 in Deutschland im Exil, zuerst in München, später in Köln. Dort war er als Journalist tätig und verfasste unter anderem Beiträge für die Zeitschriften OSTEUROPA und den Sender Deutsche Welle. Außerdem gründete er den Exil-Verlag Bohemia und betrieb die Zeitschrift Informationsdienst Bohemia, welche in den 1950er Jahren unter seiner Redaktion in München erschien. Später in Köln war er Herausgeber und Autor von der Bohemia. List českého exilu.

Gemeinsam mit anderen Emigrantinnen und Emigranten baute er in den 1960er Jahren in einer Kölner Privatwohnung ein Archiv auf, das Presse- und Dokumentationsmaterial zur Entwicklung der Tschechoslowakei seit 1918 sowie zu tschechoslowakischen, tschechischen und slowakischen Exilgruppierungen in der Kriegszeit und nach 1945 sammelte. Wie heute bekannt ist, war Vladimír Pekelský ab 1953 zudem für den tschechoslowakischen Geheimdienst tätig. Angeworben hatte ihn seine Frau Marie Blaschtowitschka (geb. Tomšů, ebenfalls eine Agentin der Tschechoslowakischen Staatssicherheit), die Witwe des nach Kriegsende hingerichteten Kurt Blaschtowitschka, welcher im Protektorat Böhmen und Mähren als Staatsanwalt am Sondergericht Prag gewirkt hatte.

Exilpresse und Emigration aus der Tschechoslowakei nach 1945

Die im Nachlass Pekelský aufbewahrte Exilpresse richtete sich vorwiegend an die Emigrantinnen und Emigranten aus der Tschechoslowakei nach 1945. Es wird angenommen, dass zwischen 1948 und 1989 ca. 200.000 Menschen die Tschechoslowakei verließen.

Nach dem kommunistischen Staatsstreich im Februar 1948 erreichte die massenhafte Flucht und Auswanderung aus der Tschechoslowakei einen Höhepunkt. Allein zwischen 1948 und 1951 belief sich die Zahl der Flüchtlinge auf ca. 25.000, um bis 1968 auf ca. 60.000 zu steigen. Pekelský hatte das Land 1946 aus Furcht vor weiterer Bestrafung seitens der neuen tschechoslowakischen Regierung verlassen, da er der Kollaboration mit den nationalsozialistischen Machthabern bezichtigt wurde.  Die Menschen, die ab dem Jahr 1948 die Tschechoslowakei verließen, gingen häufig mit dem Glauben daran, wieder zurückzukehren, sobald die kommunistische Herrschaft endete. Sie rechneten damit, dass sie im Ausland nur für kurze Zeit bleiben müssten. Für sie nahm die Exil- und Emigrantenpresse eine wichtige Funktion ein. Diejenigen, die sich dort engagierten, schrieben gegen das politische System in ihrem Heimatland an. In vielen Blättern forderten die Redakteurinnen und Redakteure das Ende der kommunistischen Herrschaft in ihrer Heimat.

Die nächste große Ausreisewelle aus der Tschechoslowakei erfolgte nach den Reformversuchen der tschechoslowakischen kommunistischen Führung im Jahr 1968, bekannt als „Prager Frühling“ und durch die militärische Intervention des Warschauer Pakts gewaltsam beendet. Als diese Truppen in Prag eintrafen, befanden sich ca. 80.-100.000 Tschechoslowaken im westlichen Ausland oder in Jugoslawien. Einige, die sich dort nur vorübergehend als Touristen aufhielten, beantragten in Reaktion auf die Ereignisse in ihrer Heimat politisches Asyl. Die Emigrantinnen und Emigranten, die im Zuge der Niederschlagung des Prager Frühlings seit dem Jahr 1968 das Land verließen, hatten mehrheitlich keine Hoffnung auf eine baldige Rückkehr.

Das tschechische, slowakische und tschechoslowakische Exil war von Zerstrittenheit, politischen Konflikten und Feindschaft geprägt. Bestehende politische Gräben ließen sich nicht immer überwinden. Dies zeigte sich auch in München, das zunehmend zu einem Zentrum von Migrantinnen und Migranten aus Ostmitteleuropa wurde. Aufgrund der geographischen Nähe zum östlichen Europa und der Lage in der amerikanischen Besatzungszone etablierte Radio Free Europe 1950 in der bayerischen Landeshauptstadt das Sendezentrum (zu Radio Free Europe vgl. einen Konferenzband des Collegium Carolinum zu diesem Thema). Vladimír Pekelský engagierte sich in politischen Gruppierungen tschechoslowakischer Emigrantinnen und Emigranten, die Radio Free Europe feindlich gegenüberstanden. Er nutzte dafür besonders seine Zeitung Bohemia, in der er unzählige Artikel gegen diese Gruppe von Emigrantinnen und Emigranten und den Sender veröffentlichte.