„Hüter der sozialistischen Moral“: Prostitution und Vigilanzpraktiken in der Tschechoslowakei (1945/48 − 1989)

Projektbearbeitung: Christiane Brenner
Projektzeitraum: Juli 2019 − Juni 2023

SFB 1369 „Vigilanzkulturen: Transformationen – Räume – Techniken, Projekt C

Offiziell gab es Prostitution in der sozialistischen Tschechoslowakei nicht. De facto war die Existenz von Prostitution spätestens seit den 1960er Jahren ein offenes Geheimnis.

Diese galt in doppelter Hinsicht als empfindliche Normverletzung: als Verstoß gegen die allgemeine Pflicht zu „produktiver Arbeit“ wie gegen die herrschende Sexualmoral. Wer sich solche abweichenden Verhaltensweisen zuschulden kommen ließ, sollte nicht nur bestraft, sondern auch durch Erziehungsmaßnahmen „gebessert“ werden. Experten, Institutionen auf der lokalen Ebene und einfache Bürger waren dazu aufgerufen, der „sozialistischen Moral“ zur Durchsetzung zu verhelfen und „deviante Elemente“ in die Gesellschaft zu re-integrieren.

Das Forschungsprojekt untersucht die Aufmerksamkeit, die sich auf Prostitution als lange Zeit geleugnetes und öffentlich nahezu unsichtbares Phänomen richtete. Hat der erste Teil der Untersuchung das Ziel, die rechtliche, institutionelle und diskursive Entwicklung des Themenfeldes Prostitution für den gesamten Zeitraum von 1945 bis 1989 zu erschließen, werden im zweiten Teil Vigilanzpraktiken exemplarisch rekonstruiert.

Über quellenbasierte Fallstudien soll das Zusammenspiel von zentral gesteuerter Überwachung, Expertentätigkeit und Bürgerpartizipation bei der Aufdeckung, Kontrolle und Sanktionierung von Prostitution rekonstruiert werden. Dabei wird nicht zuletzt nach der öffentlichen Wahrnehmung von vom Staat geduldeter oder zu politischen Zwecken instrumentalisierter Prostitution gefragt.

Das Ziel des Projektes ist es, zu klären, welchen Beitrag die Wachsamkeit über die (sexuelle) Moral für die innere Kohärenz der „sozialistischen Gemeinschaft“ leistete.

Weitere Informationen unter: https://www.sfb1369.uni-muenchen.de/index.html