Jahrestagungen
15. 12. 2022

CfP: Jahrestagung 2023 "Transregionale Kulturkonzepte und antiimperiale Narrative"

 

Jahrestagung des Collegium Carolinum und des Johann Gottfried Herder-Forschungsrates 2023
16.–19.11.2023 in Fischbachau (Oberbayern)
Deadline: 28. Februar 2023

 

Call for Papers (PDF)

Transregionale Kulturkonzepte und antiimperiale Narrative im Ostmitteleuropa des 20. und 21. Jahrhunderts

Organisation: Steffen Höhne / Alfrun Kliems

In den Geisteswissenschaften werden zunehmend kulturelle Verflechtungsphänomene erörtert. Entsprechende Entwicklungen innerhalb von Regionen und zwischen diesen sind mal als histoire croisée (Werner/Zimmermann 2002), mal als „interdependente Transferphänomene“ (Middell 2016) bezeichnet worden, dann wieder als „kulturelle Interferenzräume“ (Raßloff 2013). Was diese und weitere Konzepte miteinander verbindet, ist eine „Pluralisierung der Sichtweisen“ (Werner/Zimmermann 2002: 636) und zumal ein Aufbrechen „vermeintlicher Homogenitäten der Nationalkulturen“ (Werner 2013: 27). Es geht weniger um fixierte Räume als vielmehr um die Voraussetzung ihrer Semantisierung – sei es kulturell, literarisch oder politisch. Mit Blick auf unseren Gegenstand dürfte die wohl eingeschliffenste Trope „Mitteleuropa“ sein – mitsamt der zugehörenden, nach wie vor virulenten Debatte.

Im Zentrum der Tagung stehen neuerlich Rekonstruktion, Produktion und Rezeption komplexer Prozesse transregionaler kultureller und literarischer Verflechtungen. Nicht zuletzt geht es uns um theoretische Neukonzeptualisierungen und Neugewichtungen. Darunter verstehen wir einerseits die Revision älterer Regionalkonzepte, andererseits eine Neuvermessung nationalkultureller Orientierungen.

Während sich das Attribut „transnational“ auf von Nationalstaaten dominierte Räume bezieht, rückt „transregional“ Räume auch unterhalb wie oberhalb der (vorgestellten) Nation in den Blick. Das östliche Mitteleuropa wiederum bietet ein paradigmatisches Beispiel für Transregionalität, das sich in seiner Spezifik nur verstehen lässt, wenn zur internen Relationalität auch die Dynamiken der externen Beziehungen betrachtet werden, oder nach Moritz Csáky seine „endogene wie exogene Pluralität“ (Csáky 2010). Die ostmitteleuropäische Großregion erscheint aus dieser Perspektive nicht nur von ständig präsenten kulturellen Verschiebungen, Ambivalenzen, Uneindeutigkeiten geprägt (Simonek 2016), sondern auch als Objekt vielfacher Imperialisierung und Kolonialisierung. Diese Erfahrungen dominieren nach 1918 auch Subregionen wie z. B. die Bukowina, die der Rumänisierung, oder die Karpatho-Ukraine, die der Tschechoslowakisierung ausgesetzt waren. Aktuell spricht die tschechische Kunsthistorikerin Milena Bartlová denn auch mit Blick auf das tschechisch-slowakische Verhältnis von einem „kleinen, aber unseren Kolonialismus“ (Bartlová 2015).

Weitere transregionale Denkkonzepte wie Zoran Konstantinovićs „Zwischenfeld“ oder die „Pulsationstheorie“ von Peter Zajac wählen eine europäische bzw. globale Perspektive – in jedem Fall aber eine antiimperiale. Diese und ähnliche transregionale Konzepte lassen sich als Schnittstelle „autochthoner“ und „übersetzter“ Theorieangebote begreifen und erweitern, insofern „klassisch“ postkoloniale Begriffe und ihre Bezüge aufgegriffen und mit regionsspezifischen Befunden überblendet werden.

Auf der Tagung soll namentlich den neueren Denkmodellen nachgespürt werden, die auf die politischen Veränderungen nach 1989 reagieren, möglicherweise auch bereits auf die Annexion der Krim 2014 durch Russland sowie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022. Zudem wollen wir sich aus transregionalen Fragestellungen ergebenden forschungspraktischen Fragen Raum geben, wie z. B. der Problematik einer zeitgemäßen Literatur- und Kulturgeschichtsschreibung einer Region bzw. ihrer Subregionen wie Banat, Böhmen, die Bukowina, Galizien, Mähren, Schlesien etc.

Die Tagung ist interdisziplinär konzipiert und soll weniger materielle Einzelbefunde beleuchten denn größere Zusammenhänge. Ein Vortragsabstract (zirka 1.500-2.000 Zeichen mit Leerzeichen) mit kurzem CV kann bis Ende Februar 2023 eingereicht werden.

Denken Sie bei Ihrer Konzeption bitte an die Redezeit von 20 Minuten, um ausreichend Zeit für die Diskussion zu lassen. Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Vorgesehen ist eine Publikation in der Schriftenreihe „Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum“ in englischer Sprache.

 

Kontakt

Prof. Dr. Alfrun Kliems, Humboldt-Universität zu Berlin

alfrun.kliems@hu-berlin.de

Prof. Dr. Steffen Höhne, Johann Gottfried Herder-Forschungsrat

steffen.hoehne@hfm-weimar.de